Ausflug in die Geschichte des Herrenparfums

Bei Hof wurde reichlich parfümiert (und weniger gewaschen), später waren aromatische Wässerchen Frauensache. Erst das Wirtschaftswunder nahm den Herren die Scheu vorm Eau. Dank spannender Nischen-Düfte fällt die Wahl des „Pffft“ am Morgen heute schwer wie nie

Wonach roch Deutschland in den 1950ern? Nach Käfer-Abgasen. Schnittchenplatte. Echtem Bohnenkaffee und den Duft-Bestsellern „Tosca“ und „Tabac Original“. Zwei Düfte, harmonisch wie der Partnerlook. Und endlich ließ sich der deutsche Mann – bis dato ein Duftmuffel – zum „splash“ auf Hals und Wangen verführen. 

Dabei waren Parfums über Jahrhunderte hinweg allein Königen und Kaisern vorbehalten. Etwa als Ludwig XIV. im Luxus schwelgte. Selbst in Palästen mied man das verseuchte Wasser aus Angst vor Krankheiten. Höchste Zeit für Plan P: es wurde extrem parfümiert – Frauen wie Männer.

Die Erfindung des Eau de Cologne

Ab 1709 erfand Johann Maria Farina in Köln sein Eau de Cologne, einer der ersten kommerziell erfolgreichen Düfte überhaupt. 83 Jahre später kam das legendäre „4711“ dazu. Beide Kölnisch Wasser wurden Exportschlager, selbst Heinrich Heine und Ludwig Beethoven liebten die im Vergleich zum üppigen Hof-„Diesel“ leichten Kompositionen.

Während die Damen auf „Chanel No.5“ abfuhren, den ersten Duft mit synthetischen Zutaten, betupften sich Männer bis in die Golden Twenties allenfalls in Künstler- und Intellektuellenkreisen mit Parfüm. Charlie Chaplin liebte das britische Dufthaus The Crown, Hollywood-Beau Cary Grant reiste mit Acqua di Parma und Winston Churchill zog nicht ohne Penhaligons „Pleinheim Bouquet“ in politische Schlachten. In den Berliner Salons trug Mann „Treffpunkt 8 Uhr“ von J.F. Schwarzlose Söhne, wie andere kein ausgewiesener Herrenduft. In der Nazizeit galten Parfüms offiziell als weibisch und un-deutsch, Parteigrößen wie Hermann Göring horteten trotzdem exotische Duftöle. 

Der Duft des Wirtschaftswunders

Erst in der Besatzungszeit machten amerikanische GIs das After Shave bei deutschen Männern beliebt. Der Drogeriehersteller Mäurer & Wirtz aus dem rheinischen Stollberg sah einen Trend voraus und brachte 1959 das Eau de Cologne „Tabac Original“ auf den Markt. Eine Premiere für die Kosmetikindustrie, die Männer damals kaum wahrnahm. Die Fernweh-Noten von Pfeffer, Bergamotte, Eichenholz und Moschus und das Design im Stil einer Überseekiste machten „Tabac Original“ zum begehrten Luxusartikel. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Man wollte die entbehrungsreichen Kriegsjahre auch mit der Wahl der Düfte hinter sich lassen. Und den eigenen Status sowie abenteuerlustige Männlichkeit demonstrieren. Marken wie Speick und Irisch Moos versprühten ähnliches Flair.

Parfum trifft Pop-Kultur

Einen weiteren Push erhielten Parfüms pour homme in den 1970er und 1980er Jahren. Beim „Saturday Night Fever“ in der Disco waren besonders schwere Düfte angesagt. Yves Saint Laurent etablierte sein „Kouros“, Mann verfiel Calvin Kleins „Obsession“ und fast jeder Mann roch nach Aramis.

Die Macho-Duftwolke verflüchtigte sich erst 1994 mit „ck one“. Unisex hieß das Zauberwort, und statt Mackern mit Brusthaar, Schnauzer und Schlaghose waren Kate Moss und Mark Wahlberg hot. Deutschland mischte sich seit 1988 mit „Davidoff Cool Water“ eine ganz eigene Duftsensation, knackige Jungs in der Werbespot-Brandung inklusive. Egal ob muskelbepackt oder nicht, „Cool Water“ blieb seither ein Mainstream-Hit.

Nischendüfte auf dem Vormarsch

Mit dem Ende der Nineties wurde der Duftmarkt, der jährlich 200 Neuheiten in den Kampf um Marktanteile schickt, unübersichtlich. Und das traditionelle Männerbild immer unschärfer. In ist, was dir gefällt. In experimentierfreudigen Kreisen empfahl man sich nach der Jahrtausendwende plötzlich Eau de Parfums von Comme des Garcons, Creed oder Caron. Statt IT-Start-ups gründen Jungunternehmer kleine Duftschmieden, setzen auf Tradition und Hightech zugleich. Indie-Marken wie Byredo, Juliette Has a Gun und Heeley begeistern seitdem eine wachsende Fangemeinde. Die Nische, das steht fest, c’est hip!

Foto: Museums Victoria/Unsplash