Check-in mit Sepp Perwanger, Eigentümer von Der Zirmerhof in Südtirol

Ob ehrwürdiges Grandhotel, moderner City-Hotspot oder ein Geheimtipp der Kategorie „Boutique“ – erst durch die Menschen, die dort arbeiten, wird eine Herberge zum einladenden Zuhause auf Zeit. Doch wie gelingt der Spagat zwischen zuvorkommendem Service und gleichzeitigem Respekt vor dem Rückzugsbedürfnis eines Gastes? Welche Rituale der Top-Hotellerie haben noch immer ihren Platz und welche dürfen ins Archiv verbannt werden? Wie gewinnt man das Vertrauen und die Sympathie anspruchsvoller Reisender? Diese und viele weitere Fragen beantworten in der Interviewserie Check-in mit …  die besten Gastgeber der Branche – konkret, ehrlich und höchstpersönlich. Herzlich willkommen!

Diesmal mit Sepp Perwanger. Er ist Gastgeber im Traditionshotel Der Zirmerhof in Radein, Südtirol. Das Haus ist ein uralter Bauernsitz aus dem 12. Jahrhundert und seit mehr als 100 Jahren Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt. So nächtigte bereits schon Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Zirmerhof. Zum Hotel gehört auch ein Bauernhof und ein Weingut. Wer nicht im Hotelzimmer übernachten möchte, bucht eine von drei Berghütten oder ein Haus auf der freien Wiese.

Was bedeutet Gastfreundschaft für Sie?
Dem Gast etwas Besonderes, Eigenständiges, Unverwechselbares und Typisches zu bieten und ihm das Gefühl des größtmöglichen Unterschieds zu vermitteln, zu dem was er schon kennt. Auf spezielle, persönliche Wünsche und Anliegen einzugehen, da darf es wieder etwa so wie bei Mamma sein.

Welche „Zutaten“ sind unverzichtbar, damit sich ein Gast wohlfühlt?
Der Gast soll das Haus riechen, mit seinen Sinnen wahrnehmen, genau wissen wo, an welchem Ort, in welchem Haus er sich gerade befindet. Das ist Unverwechselbarkeit und gibt ein gutes Gefühl.

Was hat sich als früheres Zeichen für Gastlichkeit auf Topniveau mittlerweile überlebt, was ist passé?
„Bitte, gnädige Frau“ hat sich wohl verabschiedet, wobei dies dann scherzhaft bei besser bekannten Stammgästen doch noch zur Anwendung kommen könnte. „Madame“ ist wohl definitif Geschichte und nur mehr im Schlosshotelfilm zu hören.

Wie schmeckt Ihr Hotel – welche Spezialität Ihres Küchenchefs würden Sie bestellen?
Meine Großmutter Hanna Perwanger hat 1967 das erste Südtiroler Kochbuch herausgebracht. Dort findet man viele „Südtiroler Leibgerichte“, die dieses Stückchen Erde gastronomisch ausmachen. Seit 2020 gibt es eine Neuauflage.

Was entspannt in Ihrem Spa/Wellness-Bereich besonders rasch – verraten Sie uns das signature treatment.
Der Ausblick auf über 100 Berggipfel und natürlich hinunter ins Etschtal, wo der Wein für die Massage wächst, entspannt, – so meinen die Gäste – ungemein. Danach ein Saunagang, eine Packung mit Weintrauben und Sanddorn und ein erfrischendes Früchtewasser.

Drei eigene erinnerungswürdige Hotel-Erlebnisse rund um die Welt bitte, egal ob positiv oder negativ.
Ich liebe historische Hotels, besonders die aus der Belle Epoque oder aber auch jüngere Grandhotels, wo sie auch immer auf der Welt sein mögen. Eine sehr frühe Erinnerung war das Oriental in Bangkok (gute 25 Jahre her) mit seiner perfekten Art mit kleinen Aufmerksamkeiten den Gast zu verblüffen, das Raffles in Singapur mit seiner Long Bar und den aufgestellten großen Jutesäcken voll mit Erdnüssen. Der Boden war am späteren Abend bedeckt mit Schalen, die man dort einfach fallen ließ.
Meine Lebensgefährtin und mein Sohn sind da etwas entdeckungfreudiger, da landet man schon mal in einer mongolischen Jurte, in einer Palmwedelhütte in der Wüste oder im Containerhotel irgendwo auf dem Berg im Oman.

Von wem haben Sie für Ihren jetzigen Job am meisten gelernt? Was?
Natürlich ist da mein Vater die Nummer eins, Gastwirt, aber eigentlich lieber Wald- und Viehbauer: seine Art, hochrangigen Gästen wie auch dem einfachsten Bauernbub immer auf Augenhöhe zu begegnen, war legendär. Habe jedoch dieses Level noch nicht ganz erreicht.

Nummer zwei ist auf jeden Fall Willy Skardrasy vom Hotel Zürserhof am Arlberg. Vor vielen Jahren habe ich dort als kleiner Praktikant an der Rezeption viel gesehen und danach hier umsetzen können. Streng und doch lässig, innovativ, komunikativ und immer für seine illustren Gäste, aber auch für die Mitarbeiter da, ein nacheifernswürdiger Hotelier und Mensch!

Wenn Sie eine neue Karriere starten könnten, was wären Sie gern?
Schiffskapitän vor der Coronakrise! Oder doch lieber Erster Offizier, der darf bei den Landstopps auch mal von Bord.

Ihr nächstes Reiseziel ist … ?
Nearby ist beautiful! Das Chianti im Frühjahr. Lecchi, ein kleines Dorf mitten drin, dort habe ich einige Freunde, die dann mit der Wildschweinjagt schon durch sind. Ich nenne es immer das Gallische Dorf der Toskana. Da gibt es allerdings kein Grandhotel.

Was macht die Location Ihres Hotels so besonders – bei Sonnenaufgang wie auch zum Sunset?
Zum einen dieses große Freiheitsgefühl, das wohl schon da war, als der Zirmerhof vor hunderten von Jahren noch ein Bauernhof war. Weite Blicke, allein sitzend auf einem Moränenhügel aus der Eiszeit. Erhaben über allem. Zum anderen die gewachsene Tradition und Familiengeschichte, sowie die spannende Natur, die uns umgibt. Unverwechselbar.

Ein absoluter Geheimtipp Ihres Concierges.
Abgesehen davon, dass wir keinen Concierge beschäftigen, sondern der Gast seine Auskünfte von Familie und Team bekommt, würde ich meinen, dass eine geologische Wanderung durch den Bletterbach (der Grand Canyon Südtirols) und die anschließende Einkehr auf der Gurndin Alm etwas ganz Besonderes ist. Auf dieser Alm gibt es die besten „Strauben“ (Hefegebäck frisch aus dem Öl mit Preiselbeerkompott).

Was ist für den ersten Eindruck wichtig – für ein Hotel und für einen Gast?
Das ehrliche Lächeln und die natürliche Ansprache der Person, die dich empfängt.

Was prüfen Sie in einem Zimmer zuerst, wenn Sie selbst unterwegs sind?
Ob der Schlüssel das Schloss öffnet! Ausserdem bin ich ein notorischer Staubsucher und -finder!

Wie helfen Sie mit, besondere Anlässe eines Gastes bei Ihnen im Haus zu zelebrieren?
Wir vermeiden es große Veranstaltungen zu beherbergen, ausser eine Gesellschaft bucht das ganze Hotel. Bei kleinen und großen Anlässen kümmere auch ich mich von Anfang an um die Planung und Durchführung.

Wie hat sich der Luxusbegriff, gerade für die Hotellerie, in den letzten zehn Jahren verändert?
Ich kenne da einen älteren und sehr smarten Touristiker. Er scheut Wörter wie Luxus, Luxury usw. wie der Teufel das Weihwasser. Meist wird dann der Anspruch nicht erfüllt oder ist nur schwer erfüllbar. Was ist schon Luxus? Für den einen sind es die goldenen Wasserhähne, für den anderen einfach nur seine Ruhe zu haben.

Was machen Sie als erstes, wenn sich ein Hotel-Tester ankündigt?
Ich übe noch mal das Stramm stehen. Nein! Ob es ein Tester war, weiß man oft erst am Schluß.

Was werden wir in fünf Jahren in jedem Top-Hotel sehen?
Freundliche, dienstbare Geister.

Wie gelingt einem Hotel ein Moment, der für den Gast länger hält als ein Selfie?
Ein nettes Wort und eine gute Flasche Wein bei der Abreise.

Welche Jahreszeit ist ideal, um Ihr Hotel zu besuchen?
Am Südtiroler Berg ist es immer schön und landschaftlich spannend. Meine Großmutter sagte immer, April und November seien hier zu vernachlässigen. Da ist es im Tal schöner.

Die schönste Haus-Anekdote bzw. der berühmteste Gast (bisher).
Besonders in der Zeit meiner Großeltern gaben sich berühmte Menschen so zu sagen gegenseitig die Klinke in die Hand. Damals reiste nicht jeder wie heute und auch das Hotelangebot war im Vergleich zu heute sehr reduziert. Viele Persönlichkeiten kamen durch Empfehlungen von Freunden bzw. Berufskollegen. Physiker wie Max Plank und Arnold Sommerfeld – letzterer hatte von hier aus mit Albert Einstein, der dann schon in Amerika war, korrespondiert –, Ärzte wie Ferdinand Sauerbruch, Umstürzler vom 20. Juni 1944, Künstler und Bildhauer, Wissenschaftler, Schriftsteller, Diplomaten, sogar U-Boot Kapitäne usw.. Eine wirklich große Persönlichkeit der heutigen Zeit war Richard v. Weizsäcker Bundespräsident a.D..

Ein Tipp noch für die Urlaubslektüre, bitte.
„Der Sturm“ (Tempesta): Die Kriegsjahre meiner Südtiroler Familie, Bestseller von Lilli Gruber. Sie recherchierte und erzählt über die Wirren in der für Südtirol so schwierigen, nationalsozialistischen und faschistischen Zeit. Das 3. Kapitel widmet Lilli Gruber ganz den Erzählungen meines Vaters Josef Perwanger als Zeitzeuge.

Hier können Sie Ihre Übernachtung buchen:
Zirmerhof
Oberradein 59
39040 Radein
zirmerhof.com

Foto: Der Zirmerhof