Am Herd mit Tim Raue im Kulm Hotel St. Moritz

Spätestens mit der hervorragenden Doku-Serie „Chef’s Table“ auf Netflix sind Küchenchefs und Pa­tis­si­ers zu einer spannenden Mischung aus Künstlern, Unternehmern und Rockstars avanciert. Jede(r) auf ihre/seine ganz eigene Art, was ihr Wirken umso faszinierender macht. Und da wir mindestens ebenso gern essen wie mit Menschen ins Gespräch kommen, erfüllt jedes Interview der Reihe „Am Herd mit …“ eine doppelte Funktion: den Blick über die Schulter der kreativsten Menü-Magier und in ihre kulinarische Vita. Bon appétit!

Diesmal erzählt uns der bekannte Sternekoch Tim Raue mehr über seine Reise in die Gastronomie, seinen Lieblingsplatz für ein Picknick und die perfekte Speisenfolge für Stadt, Land und Küste. Der gebürtige Berliner ist unter anderem verantwortlich für das mehrfach ausgezeichnete Pop-up-Restaurant „the K by Tim Raue“ im Kulm Hotel St. Moritz, das seit über 160 Jahren hoch über dem St. Moritzersee thront.

Was war Ihr Leibgericht als Kind?
Die Königsberger Klopse meiner Oma. Sie geben mir bis heute bei jedem Bissen ein Gefühl von Wärme und Zuneigung.

Wann haben Sie erstmals zum Kochlöffel gegriffen?
Als 11-jähriger Junge habe ich mir mein Essen selbst gekocht und Eierspeisen in unzähligen Varianten kreiert. Damals neigte ich noch dazu, viel zu viele Zutaten und Gewürze zu benutzen.

Ihr signature dish – im Restaurant und zu Hause?
Der Wasabi Kaisergranat im Restaurant Tim Raue ist das Gericht, das mich weltberühmt gemacht hat. zu Hause in Berlin esse ich am liebsten thailändisches Take-away, beispielsweise Gaeng Massaman Gai und Larb Ped, das sind meine absoluten Favoriten des Restaurants Papaya.

Welches Küchenutensil ist völlig überbewertet?
Ich habe es nicht so mit technischen Geräten, das delegiere ich lieber. Für mich ist mein Silberlöffel am wichtigsten, mit ihm schmecke ich ab und „dirigiere“ meine Teams.

Wofür lohnt es sich, in der Küche viel Geld auszugeben?
Grundsätzlich muss man die Lieferanten sehr gut bezahlen, um sie für ihre großartigen Lebensmittel gerecht zu entlohnen. Privat übertreibe ich es absolut beim Wein, da fehlt mir oft jedes Maß, vor allem bei reiferen Jahrgängen.

Wen würden Sie gern einmal bekochen?
Ich koche einfach grundsätzlich sehr gern, am meisten Spaß macht es aber natürlich, wenn andere Menschen auch davon begeistert sind. Dann kann man ihnen neue aromatische Welten eröffnen.

Wer ist Ihr kulinarisches Idol?
Menschlich hat mich die wilde und fiese Art des Briten Marco-Pierre White am meisten geprägt. Ohne sein Leben als Inspiration hätte ich den Aufstieg nicht geschafft. Glücklicherweise habe ich später gelernt, respektvoll(er) und herzlich(er) mit meinem nächsten Umfeld und Kollegen umzugehen, als er. Als Köche muss ich Joachim Wissler (Restaurant Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg), Santi Santamaria (leider bereits 2011 verstorben) und vor allem Sam Leong aus Singapur zu nennen. Sie alle haben mir aromatische, technische und kulturelle Möglichkeiten aufgezeigt, die ich vorher nicht gesehen habe.

Sie dürfen drei Zutaten wählen: je eine für Stadt, Land und Küste. Wozu greifen Sie? Und: Was kochen Sie daraus?
Die Stadt ist für mich Berlin und ich nehme eine türkische grüne Spitzpaprika. Die wird gegrillt mit Sucuköl und dann mit geröstetem Sauerteigbrot und einer Flasche eiskaltem Villa Kellermann Hausriesling vom Weingut von Othegraven aus Kanzem an der Saar serviert.
Fürs Land habe ich Graz und die Steiermark im Kopf, da fällt mir natürlich das Kürbiskernöl ein. Daraus mache ich eine Mayonnaise zum Backhendl, samt Preiselbeer-Dip und grünem Salat. Der passende Wein ist ein Sauvignon Blanc Zieregg vom Weingut Tement aus der Südsteiermark.
Die Küste könnte Sizilien sein, verkörpert durch eine Languste. Die koche ich für einen Salat mit sizilianischen Datteltomaten, Passionsfrucht, schwarzem Pfeffer und Basilikum. Und als Weinbegleitung könnte es eine Flasche Prephyloxera vom italienischen Weingut Tenuta delle Terre Nere sein.

Welches Gericht verdient ein Revival?
Das Jägerschnitzel. Ich arbeite dran für mein Restaurant Villa Kellermann in Potsdam.

Welcher kulinarische Hype gehört beerdigt?
Darüber zu urteilen, steht mir nicht zu.

An welches Rezept wollen Sie sich unbedingt noch wagen?
Jedes neue Gericht ist eine Herausforderung, der ich mich stellen muss.

Vor welchem Gericht haben Sie (noch) zu viel Respekt?
Das TV Format „Kitchen Impossible“ auf Vox lehrt mich jedes Mal wieder Demut vor jedem Gericht eines anderen Kochs.

Von wem lassen Sie sich am liebsten bekochen?
Von Köchinnen und Köchen, die es gut machen. Ich bin sehr gerne Gast.

Ihr liebstes Restaurant?

Ihr liebster Platz für ein Picknick?
… liegt auf Sizilien, auf einer Anhöhe mit Blick auf das Meer beim Sonnenuntergang. Käse und Wurst, geröstetes Brot, Olivenöl, eine grandiose Flasche Wein – und meine Frau. Der Duft von Kräutern in der Nase, die Wärme des Tages, die aus dem Boden steigt. Besser geht es nicht.

Ihr liebster Song zum Aperitif?
Der Sound von Menschen auf einer Piazetta irgendwo Italien

Ihr ewiger Kochbuch-Schatz oder aktueller Tipp?
White Heat“ von Marco-Pierre White und „Rezepte aus der Brasserie“, das die kulinarische Welt meiner „Colette“-Restaurants in Berlin, Konstanz und München einfängt. Das klingt jetzt nach Eigenlob, aber da muss ich klar sagen, dass dieses Buch vor allem eine grandiose Leistung des Teams war und ich nur einen kleinen Teil beigetragen habe. Ich bin als Koch und Leser davon richtig begeistert, von der dichten Atmosphäre und der wunderschönen Inszenierung der Gerichte. Man fühlt sich direkt nach Frankreich versetzt.

Barocke Deko oder eher spartanisch?
Ich schätze Purismus und Klarheit, mag aber eine Mischung aus gedeckten Farben und poppigen Kontrasten. Es muss (!) aber immer sauber & aufgeräumt sein, bis auf ein wenig guten Kitsch in Form von Toys, Vasen und Coffeetable-Büchern.

Sekt oder Selters?
Rotwein und Aqua Panna.

Burger oder Auster?
Döner und Kaviar.

Ihr Anti-Stress-Rezept?
Fitnesstraining, Spaziergänge – so nenne ich meine Shoppingtrips – und genug Zeit zum Nachdenken und Reflektieren.

Wie sind Sie als Küchenchef?
Fordernd und fördernd. Dabei immer ehrlich und eindeutig, extrem ehrgeizig und stets mit Haltung und einer Meinung.

Hier könnt ihr die Küche von Tim Raue genießen:
Kulm Hotel
7500 St. Moritz
kulm.com

Weitere Restaurants und Infos findet ihr hier:
tim-raue.com